Die Frau im Café

Die Frau kam auf mich zu, und ich bemerkte sie erst, als sie schon direkt vor dem kleinen Couchtischchen stand. „Ich darf das abräumen, oder?” Ich hatte es noch nicht geschafft, meine Lippen zu einem Wort der Zustimmung zu formen, da hatte sie das Tablett auch schon in der Hand und brachte es zu einem der fahrbaren Regale mit Metallschienen, die genau für die Tabletts gemacht waren. 

Ich hatte an diesem Morgen einen Termin in einer Autowerkstatt, um die Frontscheibe meines Autos reparieren zu lassen. Um die Wartezeit von vier Stunden zu überbrücken, machte ich mich auf den Weg in die Stadt und entschloss mich im McCafé ein kleines Frühstück zu mir zu nehmen und dabei ein wenig zu lesen. Normalerweise sieht mein Morgen ganz anders aus, und so fand ich Gefallen daran, einfach noch ein wenig Zeit mit Lesen auf der Couch zu verbringen.

Die Frau war mir schon aufgefallen, als ich mich setzte. Sie sah verbraucht aus, hatte eine Tasche und paar Tüten neben sich liegen, und war damit beschäftigt irgendetwas Kleines zu essen, und an ihrem fast leeren Getränk zu nippen. Während ich frühstückte und las, schenkte ich ihr keine weitere Beachtung.
Nun aber hatte sie meine Aufmerksamkeit erregt.

Sie setzte sich wieder und machte sich daran, ein kleines Stück Folie zu öffnen. Sie musste das Gebäck, welches man zum Café bekommt, vom Tablett genommen haben. Das war also ihre Absicht gewesen. Jetzt hatte ich es auch verstanden. Die Frau hatte wohl Hunger. Als sie mich anblickte, fiel mir auf, dass ich sie angestarrt hatte, und um sie nicht zu verunsichern, wendete ich rasch meinen Blick ab. Ich wollte sie ansprechen, aber was sollte ich sagen? Ich würde mich dumm fühlen, ihr Geld anzubieten, wenn sie es vielleicht gar nicht brauchte oder mochte. Meine Gedanken überschlugen sich, und während ich sie aus dem Augenwinkel beobachtete kramte ich mit meiner Hand nach etwas Geld in meiner Hosentasche. Es reichte noch genau für einen Italian-Bagel. Ich schaltete also die Kritikerstimme in meinem Kopf ab und folgte meinem Herzen zwei Meter hinüber zu dieser Frau. Ich weiß nicht mehr was ich genau sagte. Irgendetwas mit Tablett, Hunger, Essen und Geld. Was auch immer es war, bevor ich fertig war hielt die Frau schon ihre Hand hin und nahm die paar Euro entgegen. Ich drehte mich um und ging an meinen Platz zurück.
Die Frau packte zusammen und verschwand. Als wäre sie nur hier gewesen, um dieses bisschen Hilfe entgegenzunehmen.
Ich war erleichtert. Es fühlte sich gut an, auf mein Herz gehört zu haben.

Ich möchte dich ermutigen, auf dein Herz zu hören. Natürlich sollst du auch nachdenken, überlegen, Pro und Contra abwägen und genau prüfen. Aber am Schluss, da solltest du auf dein Herz hören. Es weiß sehr oft viel besser, was gut und richtig ist.
me

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