Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich erlebe immer wieder, wie Christen ihre Statements zu bestimmten Themen abgeben und darin relativ wenig Liebe zu finden ist. Vielleicht aus Angst um und Verantwortungsgefühl für andere, aus Unsicherheit oder aus simplen Wortgefechten heraus. Eine gut durchdachte und von Gott bestätigte Meinung ist voll in Ordnung. Aber es gibt auch in der Bibel den Hinweis darauf, dass das, was wir ohne Liebe tun, sinnlos ist: „Wenn ich in Gottes Auftrag prophetisch reden kann, alle Geheimnisse Gottes weiß, seine Gedanken erkennen kann und einen Glauben habe, der Berge versetzt, aber ich habe keine Liebe, so bin ich nichts.“ 1. Korinther 13,2 Und in Vers 1 heißt es auch, dass alle Engelszungen nichts bringen, wenn sie lieblos daher reden.

Wir können das Wort „Liebe“ also herumschreien, können die Pinnwände unserer Facebookfreunde mit Liebesbekundungen tapezieren oder lieblose Kommentare schreiben, nur um unser Recht zu bestreiten. Die Liebe wird davon nicht stärker, geschweige denn ist das alles ein Nachweis für ihre Existenz.

Dem vertrauen, der mich liebt

Das Thema ist wirklich nicht immer leicht. Wenn Jesus sagte, das neue Gebot für uns ist die Liebe zu Gott und dem Nächsten, dann ist manchmal unklar, was Liebe bedeutet. Sich an die Ordnung Gottes zu halten, aber den anderen liebevoll anzunehmen, genau so wie er ist?

Bei Gott ist Erkennen und Liebe oft auf einer Ebene angesiedelt. Genauso Weisheit und Ehrfurcht vor Gott. Gottes Willen für mein Leben zu erkennen setzt voraus, dass mir seine Perspektive wichtig ist. Liebe ergibt sich aus meinem Vertrauen auf die Liebe, die er für mich hat. Wenn Gott von sich sagt, er ist die Liebe höchstpersönlich, kann ich ihm dann vertrauen, dass seine Wege für mich von dieser Liebe geprägt sind? Und kann ich diese liebevollen Wege Gottes auch anderen zumuten? 

Eine gute Freundschaft?

Liebe soll eine Tür sein, die zum Echtsein einlädt und die eine Atmosphäre der Wertschätzung schafft. Jede gute Freundschaft sollte irgendwann an so einen Punkt kommen. Meine Freunde geben mir nicht nur positives Feedback. Ich verrenne mich vielleicht in eine Sache und komme allein nicht raus und mir sagt ein Freund – Hey, das fällt mir bei dir auf, und du scheinst damit nicht besonders glücklich zu sein. Kann ich dir helfen? Willst du mal das und das versuchen?

Ich bin sehr dankbar für solche Freunde. Die Jahre vergehen manchmal und man bemerkt währenddessen kaum von selbst, wo man in Gewohnheiten o.ä. abdriftet, die ungesund sind. Klar kann sich das Ego schnell aufplustern, wenn man plötzlich damit konfrontiert wird. Erst recht, wenn man bisher keinen Änderungsbedarf gesehen hat. Aber mein Gegenüber ist ein Freund, nicht wahr? Jemand, der mich kennt und der mich liebt. Wenn ich schon nicht den Bedarf in meinem Leben sehe, den Rat anzunehmen – nehme ich immerhin wahr, dass sich dieser Freund um mich kümmert, sich Gedanken um mich macht, mit mir Lebenserfahrung teilt, die ich vielleicht noch nicht habe?

Ein goldener Apfel

Dann rumort diese Sache vielleicht in mir und es tut vielleicht auch ein bisschen weh und es ist unbequem aus einer Gewohnheit herauszukriechen. Aber das Wissen um die Liebe und die Unterstützung schleift die harten Kanten der Worte.

Schon die Sprüche der Bibel fassen dieses Thema mit einer ähnlichen Quintessenz zusammen:

„Ein gutes Wort zur rechten Zeit ist so lieblich wie goldene Äpfel in einem silbernen Korb. Eine weise Ermahnung ist dem, der sie beachtet, ebenso kostbar wie Schmuck aus reinem Gold.“

Sprüche 25, 11-12 

Was ist Liebe denn überhaupt?

Und bei alledem ist es gut sich immer wieder klar zu machen, was das Wesen der Liebe ausmacht. Sie hofft immer, sie verzeiht. Sie kämpft gegen Ungerechtigkeit. Sie setzt sich für den Vorteil der anderen ein. Das sind ziemlich herausfordernde Worte in 1. Korinther 13. In Römer 5,5 wird denjenigen zugesagt, die Gottes Heiligen Geist bekommen (haben), auch die Liebe Gottes in sich zu tragen. Wo „Liebe Gottes“ drauf steht, da ist auch Liebe Gottes drin – davon können wir ausgehen, oder? Ich wünsche mir, dass wir lernen aus der Liebe, wie sie beschrieben wird, zu lieben und zu geben. Mehr aus dem Vertrauen zu Gott zu leben als aus dem Drang, immer die besseren Argumente haben zu müssen. Aus Gottes Frieden heraus Dinge anzusprechen, aber auch ruhen zu lassen und anderen Freiheit dem entgegen zu überlassen, was wir in Liebe sagen. Zu wissen, wann es dran ist, den den ersten Stein werfen zu lassen, der ohne Sünde ist. (vgl. Johannes 8,7)

Wenn Steine auf die Erde fallen und Staub aufwirbeln

In dieser geschilderten Szene, in der die Ehebrecherin gesteinigt werden soll, ist Jesus wie der verstörende und doch ruhende Bildfehler: er zeichnet in den Sand. Er schenkt der Szene keine Beachtung, hängt sich nicht an den wütenden Mob und wird dennoch zu Rate gezogen. Seine gerechte Liebe war wohl irgendwie spürbar und sie war der einzige Weg beide Parteien sprachlos zu machen. Die religiösen Ankläger lassen ihre Steine heimlich fallen und stehlen sich beschämt davon. Die Frau, die ihren Mann betrogen hat, bleibt still, vielleicht schuldbewusst, erstaunt, ängstlich oder dankbar – bis Jesus sie fragt, wo denn ihre Ankläger seien. Sie sind weg. Und mit ihnen auch jede weitere Anklage. Denn Jesus spricht ihr Vergebung zu und gibt ihr einen Rat mit. Der Betrug war nicht richtig, aber er trennt sie nicht von der Liebe Gottes. Anstatt blind gesteinigt zu werden, wird ihr in die Augen gesehen und ein ehrlicher Rat gegeben, der sie in ihrem Leben fördern soll. Ist das nicht Liebe?

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