Psalm einer Pusteblume

Heute gibt es ein Gedicht, dass ich durch Zufall entdeckt habe und das mir sehr gut gefallen hat.

Den Duft der Rosen verbreite ich nicht,
köstliche Früchte reifen nicht an mir,
die Größe der Königskerze ist nicht mein Maß, 
die Farbenpracht der Lilie nicht meine Zier,

Dennoch schäme ich mich nicht
und verkrieche mich,
lasse mich nicht entmutigen,
mir meine Lebensfreude nicht schmälern,
den Lebensraum durch keinen Gartenzaun
begrenzen.

Vielmehr wachse und blühe ich überall,
zahlreich und unübersehbar nach meiner Art,
nein, Herr, nach deiner Art, denn du, mein Gott,
hast mich so und nicht anders gewollt.

Ich wachse auf Wiesen und an Straßenrändern,
auf Müllplätzen und in Gärten. 
Ich danke dir, Herr, dass ich überall Heimat finde.

Wer blüht, verblüht und muss welken.
Ich sträube mich nicht dagegen, 
nehme das Welken an
und lass? mich zu neuem Leben verwandeln.
Ich danke dir, Herr, für das Alt- und Neuwerden.

Nun strecke ich mich dem Wind entgegen,
wachse Blumen und Gräsern über den Kopf.
Der Wind ist mein rauer, aber herzlicher Freund.
Er bläst mir ins Gesicht
und trägt meine Samenkörner
wie kleine Fallschirme davon.

Ich danke dir, Herr, für meinen Freund, den Wind.
Wer mich findet, darf mich pflücken,
pusten und lachen,
denn du, Herr, hast mich zum Nutzen der Tiere
und zur Freude der Kinder erschaffen.

Helmut Herberg
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